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Pflanzenschutzmittel-Rückstände in Bio-Produkten

18. Dez. 2019

Es erscheint selbstverständlich, dass in Bioprodukten kaum Pestizide nachgewiesen werden. Doch auch Bioprodukte können nicht immer völlig frei von Schadstoffen sein. Aus Luft und Wasser können Pestizide zum Beispiel in die Böden und dann in die Pflanzen gelangen. Auch in der Nachbarschaft eingesetzte Pflanzenschutzmittel driften gelegentlich auf Biofelder ab. Vereinzelt sind Bio-Landwirte unwissentlich von Altlasten längst verbotener Pestizide betroffen.

Wie gestaltet sich die derzeitige Rechtslage?

(1)

Wenn Pflanzenschutzmittel (PSM) in Bioprodukten festgestellt werden, stellt sich die Frage, ob es sich überhaupt noch um Bioprodukte handelt. Das ist dann nicht mehr der Fall, wenn PSM-Spuren auf einem Verstoß gegen das EU-Bio-Recht beruhen.

Dieser Verstoß kann entweder auf einer unzulässigen PSM-Verwendung beruhen oder auf einem Verstoß gegen die Pflicht zur Vermeidung von PSM-Kontaminationen aus anderen Quellen. Was häufig missverstanden wird: Bio-Produkte werden nicht durch das Unterschreiten von Grenzwerten als solche definiert. Das EU-Bio-Recht setzt hier keine entsprechenden Grenzwerte. Welche Lebensmittel „Bio“ sind oder nicht, wird durch die normativen Vorgaben für die landwirtschaftliche Erzeugung und die Verarbeitung der Produkte sowie durch die Prüfung der Einhaltung dieser Vorgaben durch die Öko-Kontrollstellen und nicht durch eine „End of Pipe“-Betrachtung der im Bioprodukt evtl. vorhandenen PSM-Spuren entschieden.

Sind PSM im Produkt nachweisbar, ist zu prüfen, ob sie auf eine Verwendung im Sinne eines gezielten Einsatzes bei der Herstellung des Produktes hinweisen. Ist dies der Fall, handelt es sich nicht mehr um ein Bio-Produkt. Ist dies nicht der Fall stellt sich die Frage, ob gegen andere Vorgaben des EU-Bio-Rechts verstoßen wurde (z.B. Vermeidung der Kontamination durch Lagerschutzmaßnahmen). Häufig kommt bei PSM-Spuren der Gedanke der Abdrift aus benachbarten Kulturen ins Spiel.  Das EU-Bio-Recht setzt keine Regel, dass Abdrift aus konventionellen Kulturen die Angabe „Bio“ bei Ernteprodukten in Frage stellt, die aus biologischen Kulturen stammen. Und es sieht nicht vor, dass der Eintrag von Spuren ubiquitärer, globaler oder regionaler PSM-Belastung die Angabe „Bio“ in Frage stellt.

Was bringt die neue Bio-Basis-Verordnung (EU) Nr. 2018/848 an Regeln zum Umgang mit Kontaminationen?

(2, 3, 4)

Obwohl die Frage der Grenzwerte für PSM sehr hitzig diskutiert wurde, ist die Regelung durch die neue Verordnung nicht sehr verschieden von der jetzigen Gesetzeslage. Für Unternehmen bedeutet die neue Verordnung konkret mehr Klarheit, was das Handeln beim Vorhandensein von PSM in Bioerzeugnissen anbelangt. Wie schon jetzt üblich müssen Biobetriebe Vorsorgemaßnahmen vor allem bei der Lagerung und dem Transport einhalten. Anders als bei der gültigen Bioverordnung ist klarer als bisher formuliert, dass die zu ergreifenden Vorsorgemaßnahmen verhältnismäßig sein sollen und in der Verantwortung der Biobetriebe liegen.
Neu ist, dass nicht nur bei Lebensmittelherstellern, sondern auch bei Landwirten und allen anderen Biobetrieben Vorsorgemaßnahmen definiert und kontrolliert werden, um die Bioproduktion vor nicht zugelassenen Stoffen und Erzeugnissen zu schützen. Die Regelung betrifft alle Stoffe, die das Bio-Recht regelt, also etwa Futter-, Pflanzenschutz-, oder Reinigungsmittel sowie Saatgut und Lebensmittelzutaten.

Die Vorsorgepflichten der Unternehmerinnen und Unternehmer müssen ‚angemessen‘ und ‚verhältnismäßig‘ sein und im Verantwortungsbereich des Biobetriebes liegen. Besonders bedeutsam sind die neuen Regeln mit Blick auf die Unternehmen, die gleichzeitig Bio und konventionell produzieren.

Die verhältnismäßigen und angemessenen Vorsorgemaßnahmen beziehen sich auf die Vermeidung von Kontaminationsrisiken. Der Gesetzgeber fordert hier analog zum HACCP-Konzept aus dem Hygienerecht einen systematischen Umgang mit Risiken zur Vermeidung von nicht zugelassenen Erzeugnissen und Stoffen. Diese Risiken an kritischen Kontrollpunkten (BKP – Bio-Kontroll-Punkte / OCCP – Organic critical control points) müssen identifiziert werden, Maßnahmen zur Beherrschung festgelegt und diese regelmäßig überprüft werden. Es handelt sich somit um ein Risikominimierungs-Konzept und nicht um ein Verfahren zum vollständigen Ausschluss von nicht zugelassenen Stoffen und Erzeugnissen.

Auch Rohstoffhändler und Importeure müssen mit dieser neuen Vorgabe systematische Konzepte zur Beherrschung des Kontaminationsrisikos etablieren.
Auch das neue Bio-Recht sieht also keine spezifischen Grenzwerte vor – selbstverständlich gelten aber auch für Bio-Produkte die gesundheitsrelevanten Vorgaben, die für alle Lebensmittel vorgegeben sind. Deshalb ist es richtig, dass bei Bio eine Einzelfallbewertung erfolgt und die Frage im Mittelpunkt steht, ob ein Verstoß gegen das Bio-Recht vorliegt – oder die Kontamination unvermeidbar war. Ein Verstoß gegen die EU-Öko-Verordnung liegt dann vor, wenn die Bio-Unternehmen einen verbotenen Stoff einsetzen oder nicht angemessen vorsorgen.

Orientierungswert Bio-Ware 0,010 mg/kg (BNN)(5)

Der vom Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) in Deutschland geförderte Ansatz verwendet beispielsweise einen Orientierungswert von 0,010 mg/kg. Der BNN argumentiert, dass auch unter Einhaltung aller Rechtvorschriften für den ökologischen Landbau in Bioprodukten unzulässige Stoffe nachweisbar sein können. Dieser Wert ist nach BNN-Aussage jedoch kein gesetzlicher Grenzwert und sollte daher nicht als „Bio-Grenzwert“ interpretiert werden.

Zu berücksichtigen ist bei der rechtlichen Bewertung von Pestizidrückständen zum einen generell eine erweiterte Messunsicherheit oder analytische Varianz von 50% (DG SANTE), zum anderen muss , wenn sich durch die Verarbeitung der Pestizidgehalt des Ausgangsproduktes verändert hat (z. B. durch Trocknung), der Gehalt auf das Ausgangsprodukt zurückgerechnet werden. So würde für den BNN eine Ware bis 0,020 mg/kg Pestiziden unter Berücksichtigung der Messunsicherheit noch als „Bio“ vermarktet werden dürfen (wenn max. 2 Pestizide max. in dieser Höhe enthalten wären und es sonst keine Hinweise gibt, dass gegen Rechtsvorschriften verstoßen wurde). Erst ab 0,021 mg/kg wäre der BNN-Orientierungswert unter Berücksichtigung der Messunsicherheit von 50% sicher überschritten. Der Orientierungswert gilt für pflanzliche Lebensmittel, Futtermittel, freiverkäufliche Arzneimittel und Heilmittel aus ökologischem Anbau, jedoch nicht für tierische Erzeugnisse wie Honig.

Es liegt also im Ermessen des Lebensmittelunternehmers oder der Kontrollstelle, ob dieser Orientierungswert auch für Honig verwendet wird, wenn es sonst derzeit keine anderen Orientierungswerte gibt. Vor dem Hintergrund der erhöhten Anforderungen an das Risikomanagement der Biounternehmen durch die neue Öko-Verordnung erscheint es sinnvoll, die Rohwaren bei Wareneingang auf mögliche PSM-Rückstände zu untersuchen.

QSI bietet, auch in Zusammenarbeit mit unseren Kollegen von der bilacon Ges. für Laboranalytik, Lebensmittelhygiene und Prozessmanagement mbH, umfassende Screenings für PSM- und Varroazid-Rückstände an (das Screening beinhaltet mittlerweile nahezu 700 Substanzen, der Umfang wird stetig aktualisiert entsprechend den rechtlichen Neuerungen). Speziell für Bio-Honige bieten wir einen eigenen Analysencode (88550) mit Bestimmungsgrenzen von 0,001 – 0,01 mg/kg an.

Sonderfall Bienenarzneimittel / Varroazide in Bio-Honig

Rückstände von Varroaziden (Amitraz, Coumaphos etc.) sind für Bio-Honig besonders problematisch, da zur Varroa-Behandlung lediglich die in Verordnung (EG) Nr. 889/2008, Artikel 25 (6) genannten Substanzen Ameisensäure, Milchsäure, Essigsäure und Oxalsäure sowie Menthol, Thymol, Eukalyptol oder Kampfer eingesetzt werden dürfen. Ein Positivbefund eines synthetischen Varroazids in Bio-Honig könnte daher plausibel aus einer nicht erlaubten Anwendung stammen. Möglicherweise könnte auch eine Kontamination über verwendetes Bienenwachs vorliegen, welches allerdings in der Bio-Imkerei nach Möglichkeit auch Bio-Qualität haben sollte. Es gibt aber Ausnahmen, wenn kein Bio-Wachs auf dem Markt verfügbar ist. Eine weitere mögliche Eintragsquelle in den Honig wäre z.B. bei Amitraz auch eine Verwendung im Obstbau (als Insektizid). Letztendlich kann die Ursache einer Kontamination des Honigs nur im Rahmen einer Inspektion durch die Kontrollstelle ermittelt werden.

Wir empfehlen auch Bienenwachs für den Einsatz in der ökologischen Imkerei aus den genannten Gründen vorab auf Pestizide und Varroazide untersuchen zu lassen (Code 88500, mit Bestimmungsgrenzen von max. 0,01 mg/kg, geeignet zur Überprüfung möglicher Kontaminationsgefahren des Bio-Honigs durch das Wachs).

Bitte sprechen Sie uns gerne an, falls Sie weitere Fragen zu dieser Thematik haben, wir beraten Sie gerne.

Email:  info(at)qsi-q3.de
Tel: +49 (0)421 / 59 66 070
Kontaktformular

Bremen, 17.12.2019

1) Praxishandbuch Bio-Lebensmittel, Loseblattwerk, 34. Aktualisierungslieferung 08/2013, Behr‘s Verlag GmbH & Co.KG
2) https://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/society/20180404STO00916/neue-eu-vorschriften-fur-bio-lebensmittel-und-die-okologische-landwirtschaft
3) https://www.boelw.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Pressemitteilungen/190823_B%C3%96LW_PM_Bio-Recht_Umgang_mit_Kontaminationen_und_Verst%C3%B6%C3%9Fen.pdf
4)  BÖLW, Interpretation der Artikel 27 bis 29, 41 und 42 in der neuen Bio-Basis-Verordnung (EU) Nr. 2018/848, Regeln zum Umgang mit Verstößen und Kontaminationen vom 07.08.2019
5) https://n-bnn.de/sites/default/dateien/190409_BNN-Orientierungswert_DE.pdf

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